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Bürolandschaft statt Stallhaltung: Activity Based Working

Bürolandschaft statt Stallhaltung: Activity Based Working

01.09.2021 – Prof. Dr. Dr. Ruth Stock-Homburg ist u. a. Leiterin des Lehrstuhls für Marketing und Personalmanagement an der TU Darmstadt und Gründerin des leap in time Lab Darmstadt. Sie ist Rednerin zu Themen wie die Zukunft der Arbeitswelt, Künstliche Intelligenz oder innovative Geschäftsmodelle. Sie ist starke Befürworterin des Activity Based Working und lebt die Idee jeden Tag selbst. Für den SIGEL Blog haben wir sie zu diesem Arbeitsmodell befragt. 

Was ist Activity Based Working?

Unter „Activity Based Working“ (ABW) versteht man eine Organisationsstruktur von Firmen, die großen Einfluss auf die Gestaltung der Büroräume hat: Starre Raumstrukturen werden aufgelöst und Angestellte haben keine festen Arbeitsplätze mehr. Dadurch konnten zum Beispiel Unternehmen der IT-Branche die Kreativität und Produktivität ihrer Teams messbar steigern. Nach dem Motto „Your office is where you are“ implementierten die amerikanischen Architekten Phillip Stone und Robert Luchetti vor fünfzig Jahren erstmals das Konzept, nach dem Beschäftigte ihren Arbeitsplatz je nach Tätigkeit flexibel wählen konnten. In einem ABW-Büro gibt es demnach verschiedene Zonen, z. B. Treffpunkte für kreativen Austausch und Teamwork, Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten alleine oder auch gemütliche Cafeterias für einen entspannten und anregenden Plausch unter Kollegen.
Was bedeutet für Sie Activity Based Working?
Prof. Dr. Dr. Ruth Stock-Homburg Portrait

Was bedeutet für Sie Activity Based Working?

Activity Based Working ist ein Arbeitskonzept, bei dem Menschen möglichst vielfältige Arbeitswelten zur Verfügung gestellt bekommen, in denen sie unterschiedlichste Bürotätigkeiten wahrnehmen können. Einerseits können sie konzentriert arbeiten und bekommen dort dann entsprechende Office Welten zur Verfügung gestellt.

Andererseits können sie aber auch kreativ arbeiten, indem kreative Bereiche mit beispielsweise einem intelligenten Flipchart oder einem kreativen Wandsystem zur Verfügung gestellt werden. Und damit wird es für Unternehmen leichter, das tägliche Business erfolgreich zu managen und zugleich auch an die Zukunft und zukünftige Innovationen zu denken.
 

Welche Vorteile birgt dieses Konzept für Arbeitnehmer?

Für Arbeitnehmer hat es den Vorteil, dass sie mehr Spaß beim Arbeiten haben werden. Sie werden auch dadurch motiviert, dass ein Unternehmen nicht nur klare Leistungsziele, sondern auch Raum für Kreativität gibt und die Entwicklung der Mitarbeiter unterstützt. Wir wissen aus Studien, dass direkt nach der Vergütung die persönliche Entwicklung und die Entfaltung unter den Kriterien der Top 3 zur Auswahl eines Arbeitgebers rangieren.
 

Wie verändert sich der zukünftige Arbeitsplatz durch Activity Based Working?

Ich glaube, dass das Activity Based Working sich sehr stark durchsetzen wird, denn das Einzelbüro der Zukunft wird durch das Homeoffice ersetzt. Nicht nur in Zeiten von Covid, sondern auch danach wird hybrides Arbeiten stark zunehmen. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern zwei bis drei Tage pro Woche das Arbeiten aus dem Homeoffice oder von einem anderen Ort ihrer Wahl ermöglichen. Gesetzliche Vorgaben im Sinne eines Rechtes auf Homeoffice sind allerdings nicht der Weg. Vielmehr sollten Arbeitgeber auf eine solche Veränderung eingehen, um attraktiv für heutige und künftige Mitarbeiter zu sein.

Das bedeutet aber auch, dass das Büro immer mehr Begegnungsstätte wird – es wird immer weniger der Platz zum alleinigen konzentrierten Arbeiten. Und gerade dieses Arbeiten ermöglicht Activity Based Working. Activity Based Working schafft Begegnungsstätten und Raum für gemeinsame Kreativität, Abstimmung oder auch Möglichkeiten für den informellen Austausch.

"Ich glaube, dass das Activity Based Working sich sehr stark durchsetzen wird, denn das Einzelbüro der Zukunft wird durch das Homeoffice ersetzt."

Inwieweit fördert Activity Based Working eine offene Unternehmenskultur?

Die Gestaltung der Arbeitswelt in Unternehmen fungiert im Grunde als Körpersprache des Unternehmens. Activity Based Working ist damit ein sehr mächtiges Instrument der Unternehmenskultur. In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass die Gestaltung der Arbeitswelt der beste oder wichtigste Stellhebel ist, um Mitarbeiter neugierig für die Zukunft zu machen und Mut zum Ausprobieren neuer Ansätze zu steigern.
 

Wie können Unternehmen auf Activity Based Working umstellen?

Wichtig ist, dass man die Einführung vom Activity Based Working als Prozess versteht, der eine gewisse Zeit erfordert. In diesem Prozess kann man sich an einigen Phasen orientieren: In der ersten Phase ist es wichtig, das Topmanagement an Board zu bekommen, um die strategische und finanzielle Rückendeckung sicherzustellen. Hier spielt auch das Thema Führung mit rein. Es ist wichtig, die Führungskräfte wirklich für das Thema zu begeistern im Rahmen von Führungskräfte-Trainings und Schulungen. Denn für eine Führungskraft bedeutet Activity Based Working, dass die Mitarbeiter vielleicht auch einfach mal in einer Kaffeeecke sitzen und sich unterhalten, ohne dass die Führungskraft weiß, ob sie konzentriert über ein neues Projekt reden oder ob sie vielleicht einfach über private Themen sprechen. Aber wir wissen, dass formeller und informeller Austausch zwischen Mitarbeitern deren Motivation und Leistung steigern.

In der zweiten Phase sollte man einen Pilotbereich identifizieren, in dem Activity Based Working getestet wird. Eine wichtige Rolle spielen auch die Hersteller von Office-Elementen wie z. B. Möbel, Boardkonzepten oder Beleuchtung. Man muss bedenken, dass viele Büroelemente für durchschnittlich zwölf Jahre angeschafft werden. Zukunftsfähigkeit von Büroelementen ist daher sehr wichtig. Wir haben das Comfurnacy Siegel ins Leben gerufen, um Unternehmen einen Überblick über die zukunftsfähigsten Büroelemente zu geben – zur Verwendung auf dem Campus sowie im Homeoffice.

Die dritte Phase ist im Grunde eine Lern- und Feedbackphase. Lerneffekte des Piloten sowie die Sichtbarkeit von Pilotflächen fördern nach unseren Erfahrungen das Ausrollen vom Activity Based Working über das gesamte Unternehmen hinweg.

Kollaborativ arbeiten am Whiteboard
Vorteile von Open Workspaces

Comfurnacy: Fit für die Zukunft

Das Darmstädter leap in time Lab zeichnet Hersteller besonders zukunftsfähiger Büroausstattung mit dem Comfurnacy Zertifikat aus. Kriterien für die Auszeichnung sind u. a. Nachhaltigkeit, Ergonomie, Funktionalität und technische Integrationsfähigkeit. SIGEL hat bereits zweimal ein Comfurnacy Siegel erhalten.

Wie müssen die Mitarbeiter in diesen Prozess miteinbezogen werden?

Bei den Bürosystemen ist meine Beobachtung in der Tat nicht lange zu reden, sondern mit Pilotprojekten zu starten. In vielen Unternehmen habe ich beobachtet, dass es umfassende Diskussionen gab, dass Mitarbeiter nicht auf ihre Einzelbüros oder andere Statussymbole verzichten wollten und dergleichen. Nachdem Activity Based Working eingeführt wurde und die Mitarbeiter dessen Vorteile erkannt hatten, war die Akzeptanz deutlich und nachhaltig angestiegen.

Zur Einführung von Activity Based Working haben sich Pilotbereiche als sehr vorteilhaft erwiesen. Man fragt in Unternehmen, wer Interesse daran hat. Man entwickelt beispielsweise ein neues Produkt oder man möchte den Außendienst neu strukturieren oder man ist dabei, eine neue Einheit zusammenzusetzen. Man erprobt ein neues Arbeitskonzept auf einer Fläche von rund 500 Quadratmetern einfach mal aus, man sucht sich Freiwillige und beobachtet das eine Weile und lässt die Mitarbeiter der anderen Einheiten einfach mal schauen. Erste Reaktionen könnten sein „Das ist ja alles nur Spinnerei“, „Das geht auch wieder vorbei“. Nach einer Weile werden die Menschen neugierig und dann melden sich in der Regel auch andere Mitarbeiter: „Das hätten wir aber auch gerne“. Dann können neue Arbeitskonzepte sukzessive im ganzen Unternehmen eingeführt werden.

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Arbeitsmodell Activity Based Working?

Activity Based Working ist im leap in time Lab eine von drei Arbeitswelten, die wir erproben und langfristig untersuchen. In unserem Labor hat keiner einen festen Arbeitsplatz; jeder arbeitet überall. Ziel ist es, dass die Mitarbeiter wirklich alles einmal ausprobieren. Das war zu Beginn recht spannend, da die Mitarbeiter einen vermeintlich festen Arbeitsplatz gesucht haben. Inzwischen wechseln die Leute fleißig durch. Ich selbst sitze auch lieber mittendrin als alleine in meinem Professorenbüro.
 

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf das Arbeitsmodell Activity Based Working?

Wir gehen davon aus, dass Activity Based Working in Zukunft primär für den Bereich der Kommunikation und Vernetzung genutzt werden wird und dass der Bereich des ruhigen Arbeitens sich stärker auf das Einzelbüro, auf das Büro Zuhause verlagern wird. Das ist denke ich mal die größte Auswirkung. 

Vielen Dank für das Interview.

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